Körper und Gefühle
„Die Wurzeln der Resilienz … sind in dem Gefühl zu suchen, von Geist und Herz eines liebevollen, eingestimmten und selbstbeherrschten Anderen verstanden zu werden und darin geborgen zu sein.“
Spüren und Fühlen ist etwas, dass wir schon gleich nach unserer Geburt zu erlernen beginnen. Wir lernen es durch Kontakt, Imitation und durch das Umsorgtwerden. Der zwischenmenschliche emotionale Austausch bildet dabei die Basis für die Persönlichkeitsentwicklung. Vom Augenblick unserer Geburt an werden unsere Beziehungen über den Körper durch Mimik, Gesten und Berührungen ausgedrückt und somit verkörpert (Embodiment).
Die Neurowissenschaft hat erkannt, dass wir unser Gehirn unablässig dazu einsetzen, zu spüren und zu fühlen und, dass unsere Fähigkeit, klare Gedanken zu fassen, vernünftig zu handeln, stimmige Entscheidungen zu treffen und im Leben gute Beziehungen zu führen, ohne Kontakt zu unseren Gefühlen und körperlichen Wahrnehmungen gründlich aus den Fugen gerät. Zudem vermutet man, dass ein Großteil unseres Bewusstseins und unserer Interaktion mit anderen Menschen von nonverbaler Natur ist.
Paradoxerweise sind Psychotherapie und Organisiertes Lernen im 20. Jahrhundert primär verbal orientiert und vernachlässigen den Körper.
Auch im Erwachsenenalter sind Neugier und spielerisches Erkunden zentrale Bestandteile, um ganzheitlich Neues erlernen zu können. Das führt wiederum dazu, dass das neu Erlernte verkörpert wird (Embodiment) und schlussendlich zu unserem Selbst gehört.
Leider neigen wir, wenn es um psychologische Reifungsprozesse geht, immer wieder dazu, zu schnell zu sein. Zum Bespiel sind wir noch weit davon entfernt, klare Gefühle entwickelt zu haben, verlangen aber bereits von uns selbst (oder von anderen), klare Gedanken fassen zu können. In der emotionalen Entwicklung/ Nachreifung gibt es bestimmte Schritte, die man nicht einfach überspringen oder auslassen kann. Deshalb ist ein behutsames, kleinschrittiges Vorgehen im therapeutischen Prozess zielführend.
Das Erlernen von Emotionsregulierung ist für die Persönlichkeitsentwicklung und für den Umgang mit den Nachwirkungen von Traumatisierung und Vernachlässigung essentiell.
Je mehr wir uns selbst regulieren können, desto resilienter können wir auf Herausforderungen des Lebens reagieren, ohne davon überwältigt zu werden. Das beinhaltet auch die Regulation von Emotionen.
Die funktionierende Kommunikation zwischen Geist, Gehirn und Körper ist der Königsweg zu Emotionsregulation.
Letztendlich dürfen wir lernen, dass Unsicherheit, Krisen, Leidvolles und auch Verlust und Tod zum Leben dazu gehören. Indem wir das akzeptieren, erhalten wir die Kraft, um durch diese Situationen durchzugehen. Und indem wir lernen besser mit unangenehmen Gefühlszuständen zu sein, wachsen wir an ihnen.
Traumatisierte Menschen fürchten sich oft davor, etwas zu fühlen. Für sie sind nicht mehr länger die Täter, sondern die eigenen physischen Empfindungen der Feind. Die Befürchtung unangenehme Empfindungen oder Gefühle zu erleben, lässt den Körper in einem erstarrten Zustand verharren und verhindert, dass der Geist sich öffnen kann. Obwohl das Trauma in der Vergangenheit liegt, erzeugt das emotionale Gehirn unablässig Empfindungen, die ängstigen und hilflos machen.
Ziel von Traumatherapie ist weniger, dass man lernt, die schrecklichen Dinge, die geschehen sind, zu akzeptieren. Es geht vielmehr darum, die eigenen Empfindungen und Emotionen zu meistern.
Indem wir den Sinn für den eigenen Körper verbessern - wo er sich befindet, wie man ihn steuert, wie man ihn bewegt, wie er geerdet ist und welche Auswirkungen Erinnerungen, Gedanken, Befürchtungen und Innere Bilder auf die Körperwahrnehmung haben -, können wir uns besser auf die anspruchsvollen Tätigkeiten unseres Alltags konzentrieren.
Menschen, die ihre propriozeptiven Fähigkeiten (das innerliche Erfahren des eigenen Körpers) verbessern, können in Folge dessen entspannter und geregelter an alltägliche Lern- und Kommunikationsaufgaben herangehen und Herausforderungen im Privaten, wie im Beruflichen erfolgreicher meistern.
Resilienz ist die Fähigkeit, nach besonderen Herausforderungen oder einem Unglück wieder auf die Beine zu kommen sowie sich an Veränderungen anpassen zu können. Mit entsprechender Resilienz können wir uns nach traumatischen Erfahrungen eher erholen.
Ein starker Baum biegt sich im Sturm, aber er bricht nicht.
Das Interessante an Resilienz ist, dass sie auf Grundlage einer Kombination von Fördern und Fordern entsteht. Sich angenommen, gesehen und genährt zu fühlen, hilft uns dabei, die Basis für Resilienz zu schaffen. Danach dürfen wir durchaus auch an unsere Grenzen gebracht werden und somit gefordert sein. Dies hilft uns zu wachsen und unsere Resilienz auszubauen.
Die Auflösung von Traumen bewirkt, dass Neugier, Kreativität und Anpassungsfähigkeit wiederhergestellt werden. Diese Faktoren gehören zu den Kennzeichen von Resilienz. Und gleichzeitig bilden sie auch die Basis dafür, um Diversität annehmen zu können.
Traumaheilung ist somit ein Grundpfeiler für die Entwicklung von Akzeptanz und Einheit.
Der wichtigste Faktor bei der Entwicklung von Resilienz besteht darin, dass uns eine unterstützende Bezugsperson zur Verfügung steht. Uns an solch eine Person wenden zu können, die uns annimmt und fördert, hilft uns, nach Herausforderungen wieder ins Lot zu kommen. Und es macht uns Mut, das Beste in uns zutage zu fördern.
- Gefühle & Emotionen - eine Gebrauchsanweisung, Vivian Dittmar
- Fühlen ist gesund, Anette Dröge
- Schließe Freundschaft mit deiner Wut, Russel Kolts
- Trauma-Yoga, David Emerson/Elisabeth Hopper
- Traumaheilung durch Yoga und Meditation, Mary/Rick Nurriestearn
- Der Pranayama-Effekt in der Traumaarbeit, Dietmar Mitzinger
- Trau dich- es ist dein Leben, Melanie Wolfers
- Die heilende Kraft des Singens, Wolfgang Bossinger